Plants_Intelligence

Sabian Baumann, Raupen, 2024, Farbstift auf Papier 139 x 94 cm
Diese Ausstellung wird angeboten in
Deutsch
Gruppenausstellung
Sabian Baumann, Ursula Damm, Kyriaki Goni, Ingela Ihrman, Jochen Lempert (eingeladen von Christiane Meyer-Stoll), Julia Mensch, Una Szeemann, Zheng Bo u.a.

Plants_Intelligence im Atrium des Kunstvereins schließt an Ștefan Bertalans radikale Wertschätzung von Pflanzen und seine wissenschaftlich-künstlerische Suche nach artenübergreifenden Beziehungen an. Wie gehen Künstler:innen heute mit unserer Abhängigkeit von, Verwandtschaft mit und Liebe zu Pflanzen um? Wo sind die Schnittstellen? Wie begreifen und gestalten sie vegetabile Handlungsmacht und Intelligenz?

Alle gezeigten zeitgenössischen künstlerischen Positionen verstehen Pflanzen als handlungsmächtige Wesen, als Gefährten und Verwandte der Menschen und machen dies anhand unterschiedlicher künstlerischer Methoden deutlich.

Kuratiert von Yvonne Volkart und Anja Casser
Über Jahrtausende (wenn nicht Jahrmillionen) miteinander gewachsen, sind die Beziehungen zwischen Menschen und Pflanzen alt und eng (sogar gewisse Gene und Botenstoffe sind sich ähnlich). Aber in unserer vorherrschenden Kultur zählt das alles nichts: Zumeist übersehen, sollen sie uns nur Nahrung, Kleider, Treibstoff oder Dekor liefern – und ansonsten nicht weiter auffallen. Doch Pflanzen sind intelligente Wesen: Sie haben Wünsche und Intentionen, kommunizieren und agieren, sind flexibel und lösen Probleme. Eingebettet in spezifische Orte scannen sie unaufhörlich ihre Umgebung. Sie können zwar nicht davonlaufen, wenn Dinge für sie suboptimal werden, aber sie passen ihre Form den sich ändernden Gegebenheiten an. Kurzum, Pflanzen versuchen zu gedeihen und setzen dafür diverse gestalterische Mittel ein. Sie sind Gestalter. Aber auch Schwellenwesen, Energiewandler, Transformer: vollkommen erdverbunden, ragen sie gleichzeitig in den Äther hinein und verwandeln volatile Stoffe in Nahrung.

Die in der Ausstellung versammelten Künstler:innen interessieren sich für Pflanzen und ihre Strategien und setzen sie in einen übergreifenden Kontext. Damit ist auch das Ziel dieses Projektes benannt: Mit der Behauptung, dass Pflanzen aktive und intelligente Gestalter ihrer Existenzweisen sind, wird für die Anerkennung anderer, mehr-als-menschlicher Formen von Existenz plädiert. Es wird gezeigt, dass Kunst eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielt: Schon das regelmäßige und genaue Beobachten und Übersetzen bestimmter Pflanzen und ihrer Zusammenhänge via Zeichnung, Video, Malerei, Skulptur, etc. kann unsere Sensibilität ökologisieren und die Wichtigkeit der beobachteten Wesen anzeigen. Die ausgewählten Arbeiten kreisen um mögliche Schnittstellen, gemeinsame Schwerpunkte und Methoden mit Ștefan Bertalan, wie beispielsweise das körperliche Eintauchen gepaart mit wissenschaftlichem Observieren (von Amaranth: Julia Mensch), rechnerisches Experimentieren mit (Ausbreitungs)Mustern (von Flechten: Ursula Damm), Verqueerungen kategorialer Hierarchien (Sabian Baumann), psychologisch-spirituelles Transformieren materiell-atmosphärischer Körper (Una Szeemann) sowie die Weise, wie pflanzliche Körper Raum bilden (in direkte Anlehnung an eine Zeichnung von Ștefan Bertalan: Jochen Lempert).

Darüber hinaus versucht Plants_Intelligence aber auch zentrale, durch den Neoliberalismus enteignete Lebensaspekte wie Aufmerksamkeit, Wachstum, Flexibilität, Intelligenz oder Lernen zurückzuerobern und als grundlegende Merkmale relationalen Seins erfahrbar zu machen. Diese vielschichtigen Fragestellungen werden nicht nur in der Ausstellung, sondern auch mit weiteren Gästen in einem Veranstaltungsprogramm vertieft.

Ștefan Bertalans offener transmedialer Umgang mit Pflanzen, oder besser gesagt, mit der spezifischen Seinsweise von Pflanzen, kann aus heutiger Perspektive als ein Beispiel für die Einmischung der Kunst in Diskurse um die Intelligenz der „Natur“ – die Intelligenz von Pflanzen – interpretiert werden. Sein beobachtender, (nach)zeichnender, (unter)suchender, experimenteller, den Pflanzen sich ausliefernder, sie sich anverwandelnder Umgang ist noch heute wegweisend und relevant: Er wird weiterverfolgt, weiterentwickelt, anders gemacht. Neben mathematisch-rechnerischen Annäherungen, die, wenn sie Pflanzen auch nicht verstehen, dann doch zumindest zu verstehen suchen, gibt es solche, die sich unverblümt mit ihnen verwandtschaftlichen, verbinden und verbünden. So hat sich auch Bertalan diesen Wesen nicht nur durch Observieren, Berechnen und Nach-Zeichnen angenähert, sondern er wollte in eine Resonanz mit ihnen kommen, sich austauschen, in einem spirituellen Sinn die Pflanzen verstehen: um schließlich in einem Akt gesellschaftlicher Isolation und persönlicher Radikalisierung selbst zur Pflanze zu werden und durch die Inklusion unserer Gefährt:innen lebendig zu bleiben.

Ausstellung und Veranstaltungsprogramm sind eine Kooperation zwischen dem Badischen Kunstverein Karlsruhe und dem von Yvonne Volkart initiierten und geleiteten Forschungsprojekt Plants_Intelligence. Learning Like a Plant (2021–25), das am Institut Kunst Gender Natur der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW verortet und vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert ist.
Adresse
Waldstraße 3
76133
Karlsruhe
+49 721 28 226
Daten
Zusätzliche Informationen
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